Eine Historie von Ausbeutung und Gewalt

Toni Keppeler, Laura Nadolski, Cecibel Romero – „Kaffee - Eine Geschichte von Genuss und Gewalt“

von Steffi Engler

Kaffee mit anderen Augen
 
Eine Historie von Ausbeutung und Gewalt
 
Wenn Sie genüßlich Ihren Morgenkaffee schlürfen, sich am Nachmittag in der Konditorei ein Kännchen zur Sahnetorte bestellen oder ein Stück Vollmilchschokolade mit heißem Kaffee im Mund schmelzen lassen haben Sie sich dann je über die Geschichte dieses köstlichen braunen Getränks nachgedacht, seine Herkunft, seinen Anbau und die sozialen und Umwelt-Zusammenhänge, die damit verbunden sind?
Drei ausgewiesene Fachleute haben das getan: Toni Keppeler, seit über 30 Jahren Journalist mit Schwerpunkt Lateinamerika, Laura Nadolski, Klima- und Umweltwissenschaftlerin und die Journalistin und Kaffeesommelière Cecibel Romero – und ein Buch darüber geschrieben: „Kaffee - Eine Geschichte von Genuss und Gewalt“. Ich selber liege mit meinem täglichen Kaffee-Konsum wohl über dem mitteleuropäischen Durchschnitt von zwei oder drei Tassen Kaffee am Tag und gebe zu, zwar guten, aber nicht den teuren bio- und ökologisch Fair-Handels-Kaffee zu trinken. Das wäre, ist die Quintessenz nach der Lektüre dieses Buches, sicher besser für die Umwelt und für die Menschen, die den Kaffee in Lateinamerika und in Afrika produzieren, wobei ich nicht von den Kaffeebaronen und großen Handelsfirmen spreche, sondern von den Kaffeebauern und den Arbeitskräften, die den Grundstoff, die Kaffee-Frucht anbauen, ernten und zu unverhältnismäßig geringen Preisen an jene verkaufen, die damit weltweiten Handel treiben. „Kaffee war in Europa von Anfang an eine Kolonialware und ist es im Grund noch immer“, schreiben die Autoren und haben damit sicher Recht. Das Buch zeigt, daß es möglich ist, umwelt- und sozialverträglichen Kaffee zu produzieren. Der ist, heißt es, in aller Regel besser als die bis heute unter menschenverachtenden Bedingungen produzierte Massenware, denn „auf vielen Plantagen gilt noch heute, was man in Lateinamerika sagt: Kaffee wird auf Armut angebaut“.
 
In ihrem fachlich wie historisch äußerst gut recherchierten und kritischen Buch erläutern die Autoren die verschiedenen Methoden, Kaffee anzubauen und aufzubereiten und erklären die unterschiedlichen Haupt-Sorten Arabica und Robusta sowie deren Kultivierung. Sie weisen deutlich auf die mit dem Massenanbau verbundenen Gefahren für die Umwelt hin. Daß die rücksichtslose Flächennutzung ursprünglicher tropischer Regenwälder nachhaltig zum Klimawandel beigetragen hat, kann man sich angesichts der Raubabholzung der Amazonas-Wälder – wir haben sie alle vor Augen – vorstellen. Die Kaffee-Produktion basiert auf dem selben Prinzip. Die Geschichte der Ausbreitung des Kaffees von seinen Anfängen als wilder Waldkaffee in Äthiopien, sein Weg über die arabische Welt nach Asien und schließlich nach Lateinamerika ist abenteuerlich. Heute sind Mittel- und Südamerika mit Brasilien, Kolumbien, Guatemala, Nicaragua und El Salvador neben Äthiopien und Kenia die wichtigsten Anbauregionen.
 
Daß die Geschichte des Kaffees immer auch nicht nur eine Geschichte des Kahlschlags von Regenwäldern war, sondern auch der Enteignung der Indigenas, der Zwangsarbeit und der Sklaverei, des ungezügelten Kapitalismus und der Gewalt bis hin zum Völkermord, lassen die Autoren nicht unerwähnt. Beispiele dafür sind die Ausbeutung der Bevölkerung von El Salvador durch die Oligarchie von Einwanderern wie James Hill, von Deutschen in Guatemala und Nicaragua und besonders schrecklich der rücksichtslose Einsatz der Armee von El Salvador im Jahr 1932 gegen aufbegehrende Landarbeiter. Um das Kaffee-Geschäft zu sichern, wurden in einem unfaßbaren Völkermord bis zu 40.000 Aufständische, insbesondere aus der Gruppe der reinrassigen Indios ermordet. 
 
Das Buch schafft ein anderes Gefühl für den Kaffee, den man nach der Lektüre mit ganz neuem Blick betrachtet und den man möglicherweise auf lange Sicht sicher auch lieber aus anderen Quellen bezieht als zuvor. Ein interessantes kleines Streiflicht ist gegen Ende den großen deutschen Kaffee-Vermarktern und ihrer Geschichte gewidmet, die sicher alle kennen: Kaiser´s Kaffee, Jacobs, Eduscho, Tchibo, Tengelmann, HAG. Ein Register hilft bei der Suche nach Orten, Namen und Stichworten.
Wer sich ernsthaft informieren und mit dem Thema Kaffee beschäftigen möchte, ist mit diesem Buch gut beraten.
 
Toni Keppeler, 1956 geboren, wohnhaft in Tübingen, berichtet seit über drei Jahrzehnten über Lateinamerika, wo er jedes Jahr Monate verbringt. Er war Korrespondent verschiedener deutschsprachiger Medien, lehrte Journalismus an der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador, arbeitet heute als freier Journalist für Le Monde diplomatique, Frankfurter Rundschau, Wochenzeitung WOZ und SRF und wurde für seine Reportagen u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet.
Laura Nadolski, geboren 1997, ist Klima- und Umweltwissenschaftlerin und arbeitet bei großen journalistischen Projekten mit. Derzeit promoviert sie am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena.
Cecibel Romero, geboren 1971, ist Journalistin und Kaffeesommelière. Sie hat zwölf Jahre lang auf einer kleinen Plantage umwelt- und sozialverträglichen Qualitätskaffee produziert. Sie lebt in San Salvador.
 
Toni Keppeler, Laura Nadolski, Cecibel Romero – „Kaffee - Eine Geschichte von Genuss und Gewalt“
© 2023 Rotpunktverlag, 272 Seiten, Klappenbroschur, 32 Fotoseiten, vier Karten, 20,4 × 13,5 cm, Register, Literaturhinweise - ISBN 978-3-03973-003-2, 1. Auflage
29,- €
Dieser Titel ist auch als E-Book erhältlich
 
Weitere Informationen: https://rotpunktverlag.ch